»Tapeten-Kraft«

Mehr als eine Kulisse.

Tapeten - Kraft
Das Ladengeschäft von »Tapeten-Kraft« ca. 2011

Das Ladengeschäft von »Tapeten – Kraft« fiel uns gleich bei einem der ersten Besuche in Barmstedt auf. Man konnte es kaum übersehen, denn es sah tatsächlich noch genauso aus wie im tatort.

Leuchtreklame Tapeten-Kraft
Die Leuchtreklame von »Tapeten – Kraft« im Film. (Szenenfoto aus »tatort« Episode: »Kurzschluss« (C) Norddeutscher Rundfunk)
Szenenfoto
Freidahl und sein Kollege vor »Tapeten – Kraft« (Szenenfoto aus »tatort« Episode: »Kurzschluss« (C) Norddeutscher Rundfunk)

Was lag näher, als im Geschäft zu fragen, wie es denn zu diesem prominenten Auftritt im tatort kam (nach heutigen Gesichtspunkten müsste man sicherlich von „Schleichwerbung“ sprechen oder hätte die Leuchtreklame demontiert bzw. nachträglich digital überarbeitet.
Nicht so im Jahre 1974.

Wir waren an einem Samstagvormittag in Barmstedt, und »Tapeten-Kraft« hatte geöffnet. Wir betraten das Geschäft und fanden uns mitten zwischen Farbeimern, Lacktöpfen, Musterbüchern und Farbkarten wieder. Es begrüßte uns ein Mann in seinen Fünfzigern. Wir erzählten kurz von unserem Hobby und stellten die „Wie kam es denn dazu“-Frage und wurden dann spontan an seine Mutter verwiesen.

Diese hatte ihre Wohnküche praktischerweise hinter dem Ladengeschäft und befand sich gerade beim morgendlichen Zeitungsstudium. Sie hatte unsere neugierige Frage schon vernommen und empfing uns freundlich, bot uns einen Platz auf der Eckbank und begann zu erzählen.

Wolfgang Petersen sei Anfang der 1970er öfter in Barmstedt gewesen um dort zu drehen. Zunächst noch Arbeiten im Rahmen seines Studiums, dann 1971 der tatort »Blechschaden«, der neben dem bis dato unbekannten Wolfgang Petersen einige Größen der Branche in die holsteinische Provinz brachte: Götz George, Ruth-Maria Kubitschek, Friedrich Schütter – allesamt schon erste Garde des deutschen Films.

Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern, ob es schon Kontakt zum Film-Team während der Dreharbeiten zu »Blechschaden« gab, aber vor den Dreharbeiten zu »Kurzschluss« stand irgendwann ein junger Mann im Laden und stellte sich als Regisseur vom tatort vor.

Er erzählte, dass er in den nächsten Wochen in Barmstedt seinen vierten tatort drehen werde, und dass er ein paar Außenszenen in der Stadt drehen wolle.
Für die Bank hätte er bereits die Zusage, die echte Bankfiliale am »Kuhberg« nutzen zu können.
Es sollte aber noch eine Szene geben, in der sich zwei Polizisten unterhalten, während der Bankräuber seelenruhig mit seinem Fluchtwagen an ihnen vorbeifährt.
Die Bank selber sollte in der Szene nicht mehr sichtbar sein, der Marktplatz wäre aber zu weitläufig.
Aus praktischen Gründen würde er die Szene gern in der »Reichenstraße« drehen, da diese nur einige hundert Meter von der Bank entfernt ist, und man beide Drehs an einem Tag erledigen könne. Er fragte, ob sie damit einverstanden wären, wenn man die Szene bei ihnen vorm Geschäft drehen würde, und ob man eventuell auch – je nach Witterung – bis zum Drehbeginn die Schauspieler bei ihnen im Laden „unterbringen“ könne.

Kraft Senior war einverstanden, und so kam es, dass wenige Wochen später Wolfgang Petersen und Günter Lamprecht bei Krafts in der Küchse saßen und Kaffe tranken. Der Dank für die Bewirtung: ein ausgiebiger Kameraschwenk über Krafts Leuchtreklame.

Insiderwissen

Frau Kraft war aber auch über Petersens tatort-Erstling bestens im Bilde. So wußte sie zu berichten, dass in dieser Episode einige Szenen außerhalb von Barmstedt entstanden sind, auch wenn der Eindruck entstehen sollte, dass man sich stets in der selben Kleinstadt bewegen würde.

Während in »Blechschaden« der Polizeiposten am Kuhberg verortet wurde, so wurde die Polizeiwache in »Kurzschluss« in die Chemnitzstraße „verlegt“. Beides konnten wir im Anschluss begutachten und verifizieren.

Die Hochhaus-Baustelle aus »Blechschaden« war tatsächlich mitten in Barmstedt: seinerzeit wurden drei neue Hochhäuser am „Holstenring“ gebaut, die in einigen Szenen als Kulisse dienten.

Über die »Breuke-Villa« wußte Frau Kraft leider auch nicht mehr zu berichten, nur so viel: das war gewiss nicht in Barmstedt.

Wir bedankten uns für die Auskünfte und den Kaffee und machten uns weiter auf die Suche.