Dieses, doch recht markante Gebäude hat es uns schwer gemacht. Wir waren im Jahr 2007 das erste Mal in Barmstedt, drei Jahre später erneut. Kein Anhaltspunkt für die Villa, in denen das Bauunternehmer-Paar „Breuke“ in der Episode »Blechschaden« wohnt. Dabei gab es einige markante Anhaltspunkte: dem Eingang gegenüber war ein Garten, etwas am Rand eine ältere Bauernkate. In einer Szene sieht man, bevor die Kamera in den Stichweg, an dem die Villa liegt auf der gegenüberliegenden Seite einen Gasthof. Und dann ist da noch das Blumengeschäft vom Film-Nachbarn »Alwin Schindler« – sollte das etwa nur Kulisse gewesen sein?
Es half nichts. Gaststätten der Art, wie sie zu sehen waren gab es hunderte in Schleswig-Holstein. Blumenläden auch. Bauernkaten? Ebenso viele. Auch die Kombination aus diesen Merkmalen brachte keine neuen Erkenntnisse, zumal wir rund 40 Jahre nach den Dreharbeiten auf der Suche waren. Da hat sich das eine oder andere Dorf schon deutlich verändert…
Schwarmwissen
Um das Jahr 2008 herum brachte der SPIEGEL-Verlag ein sehr interessantes, zwischenzeitlich leider wieder eingestelltes Portal heraus: einestages.de
Dort konnte man Fragen zu Zusammenhängen aus der Geschichte stellen. Ich versuchte es Anfang des Jahres 2012 mit ein paar Szenefotos, auf denen die Villa und und auch die Umgebung zu sehen war. Zunächst kamen keine brauchbaren Hinweise.
Im Mai 2012 war ich auf einer Dienstreise und befand mich am 24.Mai auf dem Rückweg in den Kreis Rendsburg-Eckernförde, wo meine damals hochschwangere Frau minütlich auf die Geburt unserer Tochter wartete. Während einer Rast in Höhe Hamburg las ich die e-Mail von einestages.de: »neue Antwort auf ihre Frage«
Ich öffnete das Portal und las einen Hinweis, wonach sich die gesuchte Szenerie vermutlich in Henstedt-Ulzburg, genauer gesagt in der Kisdorfer Straße befinden würde. Der Hinweisgeber nannte als Indiz dafür den Straßenverlauf (erkennbar während einer Fahrtszene) sowie ein schwach zu erkennendes Verkehrszeichen, welches auf einen Banhübergang hinweist. Letzteres hatte ich bis dato nicht erkannt. Vermutlich hätte es mich auch in eine falsche Richtung gelenkt, denn die Banhstrecke ist seit rund 30 Jahren stillgelegt, der Hinweisgeber ist aber Hobby-Bahnchronist und verfügte daher über entsprechendes Kartenmaterial.
Da Henstedt-Ulzburg kein wirklicher Umweg war, verließ ich die Autobahn in Quickborn und fuhr in Richtung Henstedt-Ulzburg, bog ab in Richtung Kisdorf und siehe da: der Straßenverlauf passte!
Plötzlich kam linkerhand das Gasthaus in mein Blickfeld und rechts ging eine Strichstraße ab. Soweit, so gut. Leider war von der Villa nichts mehr zu sehen. Dafür gab es noch den Blumenladen…
Ich machte ein paar Fotos, drehte um und nahm mit wackliger Handy-Kamera die Fahrt zum Gasthaus auf, um meinem Freund und Co-Ermittler dieses »Ermittlungsergebnis« zukommen zu lassen.
Dann machte ich mich schnell auf den Weg nach hause.
Ein paar Stunden später ging es dann in den Kreißsaal und seitdem habe ich etwas weniger Zeit für Drehort-Recherchen…
Gastwirte sind immer eine sichere Informationsquelle
So war es auch in diesem Fall: Ein paar Monate später griff ich zum Telefon und reservierte einen Tisch in dem Gasthaus an der Kisdorfer Straße. Während des Gesprächs fragte ich (ins Blaue) ob denn der Senior dann auch anwesend sei, und ob er uns ein paar Fragen zu dem tatort erzählen könne, der mal gegenüber gedreht wurde. Zunächst stutzte man am anderen Ende der Leitung, dann wurde bestätigt: Der Senior sei jeden Tag anwesend und würde uns da bestimmt gern Auskunft geben.
Drei Tage später fuhren wir dann nach Henstedt-Ulzburg, parkten auf dem Hof der Gaststätte und nahmen noch einmal die Bausünde in Augenschein, die anstelle der Breuke-Villa nun (anscheinend schon ein paar Jahre) gegenüber dem Gasthaus steht.
In der Gaststube meldeten wir uns an, und der freundliche Mittvierziger schaute zu mir auf und sagte: „Sie waren das doch, die meinen Vater nach dem tatort befragen wollten?“ – ich bejahte und wurde an den älteren Herren, am anderen Ende des Tresens verwiesen, der dort die Getränkebestellungen der anderen Gäste bearbeitete.
Es brauchte nicht lange, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Bereitwillig gab er uns Auskunft: Über Petersen, der irgendwann in der Gaststube stand, über die Dreharbeiten der „Gemeinderatssitzungen“ aus »Blechschaden« („…das wurde noch auf unserem alten Saal gedreht. Das muss 1970 oder 1971 gewesen sein, kurze Zeit später haben wir dann umgebaut“) und über die Darsteller („…die Frau Kubitschek war später sogar noch einmal bei uns zu Gast“), die alle bei ihnen zu Gast waren, während drüben in der Villa gedreht wurde.
Das Schicksal der Villa muss da schon besiegelt gewesen sein.
Kurze Zeit nach dem Dreh kamen die Bagger und machten die Villa dem Erdboden gleich. Es wurde ein Mehrfamilienhaus gebaut, welches seitdem dort den Charme der 70er-Jahre-Zweckbau-Architektur versprüht.
Der Wirt wusste aber zu berichten, dass diese Villa kein Unicum gewesen ist. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von einem Industriellen aus der Umgebung für seine Tochter gebaut. Die zweite Tochter sollte nicht schlechter gestellt sein und bekam eine baugleiche Villa ein paar Kilometer weiter an der Alsterkrugchaussee in Hamburg gebaut worden sein, und dort auch heute noch stehen.